Probleme der Postkartenwelt


Sonne, Sandstrand, Sorglosigkeit – Palmen, Plastikmüll, Probleme – Mompiche, Mangroven, Muscheln – Cabañas, Kapitalisten, Krustentiere

Mompiche | 4.-6. Dezember 2010. Auf einer Postkarte oder Wandtapete mit Sonnenuntergang, seichten Wellen und Palmen sind keine ökonomischen Probleme der Fischer_innen, keine ökologischen Verbrechen, wie im Bereich der Shrimp-Zucht, zu derem Zwecke die einzigeartige Mangrovenvegetation vernichtet wird, abgebildet. Abgebildet ist der Traum eines Glückversprechens, welches uns verheisst, in paradiesähnlichen Zuständen leben zu können. Es ist ein Traumbild, ein Trugschluss, letztlich das Geschäft mit unserer Sehnsucht nach einer einfach strukturierten Welt, mit Sonne, Sand und Sorglosigkeit…
Und dennoch, es gibt Flecken auf dieser Erde, deren einnehmende Schönheit und salzige Athmosphäre uns Wellen des Glückes in unser Dasein schwappen lässt. Mompiche, nahe bei Muisne, zur Gemeinde »Bolivar« zählend, in der Provinz Esmeraldas gelegen, ist so ein Ort. → weiterlesen

Armut I: glänzende Oberfläche


Für 25-50 Cent werden die Business-Schuhe wieder auf Hochglanz gebracht. Eine »dreckige« Arbeit für eine glänzende Oberfläche…

Quito | 1. Dezember 2010.
Laut einer aktuellen Meldung der Nachrichtenagentur Reuters ist die Armut in Ecuador landesweit im Vergleich von 2008 zu 2009 leicht angestiegen. Die offiziellen Zahlen sagen: 2008 habe sie bei 39% gelegen, 2009 lag sie bei 40,2 %. Als Ursache wird die internationale [Finanz]Krise des Kapitalismus ausgemacht. Punkt.
An jeder Ecke in Quitos Innenstadt sind Schuhputzer_innen zu sehen. Für 25-50 Cent werden die Schuhe mit neuem Glanz versehen. Zwischen denen, die putzen und denen, die ihre Füße aufpolieren lassen, liegen Welten und zumeist eine Tageszeitung. Während die am Boden Sitzenden eifrig hin- und her schrubben, sitzt der Obere auf einem Kissen, und schaut in die Welt der Zeitungswirklichkeit, dem Arbeitenden nicht einen Blick würdigend.
Es gibt kaum ein Bild, was auf der symbolischen Ebene treffender die ausbeuterischen und verachtenden Verhältnisse im Kapiltalismus ausdrückt: der auf Hochglanz gebrachte betrachtet die Realität durch den Filter der Medienwelt – 4-farbig, mit aufregenden Schlagzeilen und allerlei Werbekrempel – während der [im informellen Sektor] Arbeitende mit gesenktem Haupt die Kraft seiner Hände, die Beugung seines Rückens, den scharfen Geruch der Schuhcreme, den harten Boden [seines Holzhockers] und die Blicke desjenigen spürt, der breitbeinig über ihm thront.

Sonntag, 28.11.2010 | Volkszählung in Ecuador


Über 360.000 Student_innen werden den vom INEC [Nationales Institut für Statistik und Zensus] ausgearbeitete Volkszählung mittels eines Fragebogens von 71 Fragen zu Bevölkerungs- und Wohnsituation mit persönlichen Besuchen umsetzen

Quito | 26. November 2010. Am Sonntag ist Volkszählung. Die letzte in Ecuador wurde 2001 durchgeführt. Eine Protestbewegung wie in der BRD 1983 bzw. 1987, die zum Boykott der Befragung aufrief, gab es hier nicht. In den 1980er Jahren wurde in der BRD noch über den »gläsernen Menschen« debattiert, die Fragen öffentlich kritisiert und die Zählung konnte nur anonym durchgeführt werden. Ich erinnere mich noch an Schlagzeilen aus der Bild-Zeitung, wie Helfer der Volkszählung 1987 verprügelt worden waren. Ein großer Teil der Bevölkerung wollte kein »1984«. Auf Marktplätzen wurden die Fragebogen öffentlich auf Wäscheleinen aufgehangen oder verbrannt. Keinerlei Vertrauen in die Vertraulichkeit der staatlichen Behörden. → weiterlesen

Voll die Pfeifen!


Pfeifen auf Ampeln, auf Menschenrechte und auf den Respekt vor Mitmenschen: Policía Nacional – Ecuadorianische Abteilung der unbeliebtesten Berufsgruppe der Welt.

Quito | 25. November 2010. Die Akustik in den Straßen Quitos ist bestimmt vom Hupen, Pfeifen und dem langanhaltenden Heulen von Autoalarmanlagen. Ein Kuriosum ist die Beschäftigungstherapie der Abteilung »Verkehrsreglung« der unbeliebtesten Berufsgruppe der Welt. Auch in der Hauptstadt Ecuadors gibt es zahlreiche Kreuzungen, an denen mit Hilfe von Lichtsignalen, im Allgemeinen als Ampeln bezeichnet, der Verkehr geregelt wird. Das – sollte man meinen – ist die Berufung dieser technischen Einrichtungen.
Dies scheint aber bei den Beamten der »Policía Nacional« entweder nicht angekommen zu sein, oder aber sie misstrauen zutiefst diesem dreifarbigen – international interpretierbaren – Lichtspiel.
Jedenfalls stehen zahlreiche Uniformierte in hellgelben Westen eingehüllt, über ihre dreckgrüne Berufbekleidung gezogen, mit Trillerpfeifen im Mund mitten auf der Kreuzung. So manch einer hat sich extra fein gemacht mit weißen Handschuhen, manche stehen auch nur am Rand, etwas deplatziert zumeist. Und wenn es ihnen in den Sinn kommt, blasen sie sinnfrei in ihre energischen akustischen Hilfsmittel. → weiterlesen

Vorerst kein Dialog mit der Regierung Correa


Marlon Santi, Präsident der CONAIE [Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador]

Puyo | 21. November 2010. Vertreter der größten indigenen Organisation Ecuadors CONAIE [Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador] von der Küste, des Hochlandes und des Amazonasgebietes trafen sich in Puyo, ihr weiteres politisches Vorgehen in Bezug auf die Regierung Correa zu diskutieren.
Soziale Organisationen, Basiskommitees und indigene Völker und Nationalitäten werfen insbesondere Präsident Correa vor, keine Dialogbereitschaft gegenüber Vorschlägen der Basis bzw. indigenen Initiativen zu zeigen und darüber hinaus ihre Sprecher_innen und Vorsitzenden zu kriminalisieren.
Vorerst wollen sie nicht zum Dialog mit der Regierung zurückkehren, es sind für Januar große Mobilisierungen geplant, vor allem in Bezug auf das neue Bildungsgesetz. Hier geht es im Konflikt zwischen Regierung und indigenen Vorschlägen vor allem um die Umsetzung der bereits 1998 in der Verfassung verankerten Rechtes der zweisprachigen Erziehung [spanisch/quichua]. → weiterlesen

Marcelo Rivera: Abbruch des Hungerstreiks

Quito | 18.11.2010. Am 11. November 2010 haben die Eltern von Marcelo Rivera, politischer Gefangener, abegurteilt zu drei Jahren Gefängnis wegen »terroristischer Aggression« und einer Geldstrafe von ca. 300.000 US$, im Krankenhaus Eugenio Espejo eine Pressekonfenrenz abgehalten. Gleichzeitig hat Marcelo seinen Hungerstreik nach über 25 Tagen auf medizinischen Rat hin abgebrochen. Sein gesundheitlicher Zustand sei bedenklich, u.a. wegen innerer Blutungen.
Die Eltern betonten nochmals, dass Marcelo ein politischer Aktivist sei und kein Terrorist. Sein Vater erklärte, es sei ein politisches Urteil und allein von der Geldstrafe könne man die ganze »Universidad Central« kaufen.
In der Bundesrepublik gibt es auf der Seite der MLPD [Marxistisch Leninistische Partei Deutschlands] eine Solidaritätserklärung, ebenso wie von ihrer Jugendorganisation Rebell.
Leider ist auch der Solidaritätsbegriff in der Praxis an ideologische Korsetts gebunden…
Solidaritätserklärung in der Roten Fahne.

Das Zeitalter des Zorns


»Las manos de la protesta« [«Die Hände des Protestes«] aus dem Zyklus »Das Zeitalter des Zorns«. | Oswaldo Guayasamin.

Quito | 12. November 2010 | Museum Guayasamin. Schlendert man über die diversen Märkte in Ecuador und bleibt an den Ständen mit Bildern oder T-Shirts stehen, begegnem einen zahlreiche Motive fast kubistisch, zerklüfteter Menschen, mit gewaltigen Händen, verdrehten Köpfen, tiefsitzenden Augenhöhlen, sehnigen Körpern, deren Stellungen die Schmerzen der Ausbeutung und des Leidens ganz Südamerikas ausdrücken [sollen].
Es sind Zeichnungen, Bilder und Skulpturen des bekanntesten Ecuadorianischen Kunstschaffenden Oswaldo Guayasamín, der auch als einer der bedeutendsten Künstler südamerikanischer Werke des letzten Jahrhunderts gilt. → weiterlesen

Das System

Quito | 9.11.2010. DAS SYSTEM
das den Computer programmiert, der den Bankier aufschreckt, der seinen Botschafter anruft, der mit dem General zu Abend speist, der den Präsidenten zu sich zitiert, der dem Minister Anweisungen gibt, der den Geschäftsführer abkanzelt, der den Abteilungsleiter anschnauzt, der seinen Angestellten zur Schnecke macht, der den Arbeiter verachtet, der seine Frau mißhandelt, die ihren Sohn schlägt, der den Hund tritt.
Aus: Tage und Nächte von Liebe und Krieg | Eduardo Galeano | Peter Hammer Verlag, Wuppertal, 1978.

Marcelo Rivera: 3 Jahre Haft wegen »terroristischer Aggression«

Quito | 8.11.2010. Heute bestätigte die dritte Kammer des Gerichtes von Pichincha die Verurteilung von Marcelo Rivera, Vorsitzender der FEUE [Federación Estudiantil Universitario del Ecuador]. Der Vorwurf des »Terrorismus« wurde auf »terroristische Aggression« heruntergebrochen. Marcelo Rivera wurde zu drei Jahren Haft verurteilt. Zusätzlich muss er insgesamt eine Summe von 298 665 US-Dollar Strafe bezahlen, u.a. wegen Missachtung des Gerichtes während seines Prozesses.

Drei Jahre Haft und knapp 300 000 Dollar für das Stören einer universitären Veranstaltung, in deren Verlauf der Rektor der Universität tätlich angegriffen wurde. Dieser selbst hatte jedoch ausgesagt, Marcelo Rivera weder gesehen zu haben, noch das dieser an der Aggression gegen ihn unmittelbar beteiligt gewesen sei.

Dies ist als politisches Urteil gegen das links-orthodoxe Spektrum und ihre bekannten Aktivist_innen zu verstehen, die lange politische Merhheiten in den Universitäten und Oberschulen sowohl unter den Professoren wie unter den Student_innen hatten.

Freiheit für Marcelo Rivera!

 Quito | 7.11.2010. In der letzten Woche wurde der Vorsitzende der FEUE [Federación de Estudiantes Universitarios del Ecuador], der studentischen Förderation Ecuadors, Marcelo Rivera wegen »Terrorismus« verurteilt. Ihn erwartet eine Strafe zwischen 6 – 9 Jahren. Die Bestätigung des Urteils und die Festlegung der Höhe der Strafe seitens des obersten Gerichtes [von Pichincha] steht noch aus. Es gilt jedoch als sicher, dass dieses politische Urteil des »Terrorismus« bestätigt werden wird.
Marcelo Rivera ist seit über drei Wochen im Hungerstreik, ist beim entscheidenden Gerichtstermin am 30. Oktober 2010 wegen Schwäche zusammengebrochen, so dass die Verhandlung abgebrochen und um einige Tage verschoben werden musste. Marcelo Rivera sitzt seit über zehn Monaten ohne juristische Beweise in Untersuchungshaft.
Er ist der erste politische Gefangene seit Jahrzehnten, der wegen »Terrorismus« angeklagt und verurteilt wurde. Weder unter erzkonservativen Regierungen, noch zu Zeiten aktiver Guerillaktivitäten in den 1980er Jahren, hat es einen ähnlichen harten Vorwurf gegeben. Die Justiz der Regierung Correa macht hiermit einen Präzidenzfall auf, der wegweisend für den zukünftigen Zungenschlag von Repression gegen linke Aktivist_innen und Organisationen ist. → weiterlesen