Rebell: Michail Bakunin

Anarchie ist Sozialismus und Freiheit in einem.*

Kreuzberg | 13.9.2011. »Entfesselt die soziale Revolution! Macht, daß alle Bedürfnisse wirklich solidarisch werden, daß die materiellen und sozialen Interessen eines jeden seinen menschlichen Pflichten gleich werden! Hierzu gibt es nur ein einziges Mittel: Zerstört alle Einrichtungen der Ungleichheit, gründet die wirtschaftliche und soziale Gleichheit aller, und auf dieser Grundlage wird sich die Freiheit, die Sittlichkeit und die solidarische Menschlichkeit aller erheben.«** Michail Bakunin ist möglicherweise der bakannteste anarchistische Aktvist und Theroretiker. Er nahm an zahlreichen Aufständen und Revolutionen in Deutschland [1849], Paris [1848], Polen [1848], Prag [1848], Lyon [1870] und Italien [1874] und Russland teil. Verbrachte insgesamt acht Jahre im Gefängnis, wurde mehrfach zum Tode oder lebenslanger Festungshaft verurteilt, durchlebte vier Jahre sibirische Verbannung, konnte fliehen, erkrankte schwer durch die harten Haftbedingungen, reiste um die halbe Welt, entweder auf der Flucht oder auf dem Weg zu konspirativen Treffen, zu internationalen Konferenzen oder um Agitationsmaterial oder Waffen für auftständische Genoss_innen zu schmuggeln. → weiterlesen

Rebell: Gerd Arntz

Gerd Arntz said goodbye to his bourgeois background and committed himself to the struggle of the under­privileged workers. […] he has continually criticized social inequality, exploitation and war in clear-cut prints – activism with arti­stic means.*

Kreuzberg | 2.9.2011. Piktogramme, der Versuch einer universellen Symbolik, gar einer allgemein verständlichen Sprache, jenseits von Sprach- und Kulturgrenzen. Statistik, die nicht lügt, umgesetzt in Form einer grafischen Darstellung, die für die Betrachtenden inhaltlich nachvollziehbar ist und sich nicht im Trugbild der Ästhetisierung verliert. So könnte das Anliegen des Grafikers Gerd Arntz beschrieben werden. Darüber hinaus versuchte der in den 1920er Jahren anarchistisch orientierte Arntz durch konstruierte auf Symbole konzentrierte Grafiken, komplexe gesellschaftliche Zustände abzubilden, die gleichzeitig einen aufklärerischen und didaktischen Zweck erfüllen sollten. → weiterlesen

Rebell: Muhammad Ali

I‘m retiring because there are more pleasant things to do than beat up people.*

Kreuzberg | 15.8.2011. »Nein, ich werde nicht 10.000 Meilen von zu Hause entfernt helfen, eine andere arme Nation zu ermorden und nieder­zubrennen, nur um die Vorherrschaft weißer Sklaven­herren über die dunkleren Völker der Welt sichern zu helfen.«* Mit dieser 1967 öffentlich vorgetragenen Weigerung von Muhammad Ali am Vietnamkrieg teilzunehmen, wurde er als amtierender Schwergewichtsboxweltmeister aus dem Boxbetrieb ausgeschlossen. Zu dieser Zeit stand der als Cassius Marcellus Clay geborene schwarze, äußerst leichtfüßige Boxer Ali auf dem Höhepunkt seiner Karriere.
1964 hatte er bekannt gegeben, dass er der Nation of Islam beigetreten sei und von nun an seinen Sklavennamen ablege. 1967 wurde Ali wegen Wehrdienstverweigerung zu fünf Jahren Gefängnis und 10.000 $ Strafe verurteilt, konnte aber auf Kaution auf freien Fuß. Sein Reisepass wurde eingezogen und er konnte drei Jahre lang nicht kämpfen, da ihm keine Boxlizenz erteilt wurde. → weiterlesen

Rebell: Johannes Agnoli

Man hört immer wieder, daß die Ab­schaffung des Staates eine Utopie sei. Meiner Ein­­schät­zung nach ist es aber der einzig realistische Weg für eine humane Zukunft.*

Kreuzberg | 26.7.2011. Ausschluss aus der SPD 1961 – nur vier Jahre nach seinem Beitritt, war die Konsequenz des Unvereinbarkeitsbeschluss der SPD mit dem SDS. Schon früh erkannte die ab 1966 regierungs­beteiligte SPD offensichtlich das aufrührerische Potential der aufkommenenden außerparlamentarischen Bewegung, deren Höhepunkt 1968 einer ganzen, aufbegehrenden Generation ihren Namen gab. Johannes Agnoli gehörte zweifelsohne schon 1968 zu den politisch beschlageneren Geistern – gilt er doch als einer der Vordenker der APO. → weiterlesen

Rebell: Mumia Abu Jamal

Die Medien – selbst eine Waffe von Megaunter­nehmensmacht – füttern die Angstmaschi­ne­rie, so dass die Leute geladen sind wie Knarren, um Krieg zu unterstützen mit Gerüchten, Unter­stellungen, Legenden und Lügen.*

Kreuzberg | 7.3.2011. »Voice of the voice­less« sagt bereits viel über den Journalisten und Aktivisten für die Rechte von Afro-Amerikaner_innen, Mumia Abu-Jamal aus. Diesen Namen erwarb er sich als Radio­journalist mit parteiischen, so­zial-politischen Reportagen in den 1970er Jahren in Philadelphia. »Free Mumia« ist hingegen der Aufschrei, der dieser Tage von Transparenten, Plakaten und Petitionen hallt. Mumia Abu-Jamal sitzt seit 30 Jahren in der Todeszelle, seit 1995 im Hochsicherheitstrakt in Pennsylvania. Er wurde zum Tode verurteilt, weil die US-Justizbehörden ihn in einem manipuliertem Verfahren des Mordes an einem Polizisten beschuldigten, den er nicht begangen hat. Mumia Abu-Jamal ist der heute wohl bekannteste »Todeskandidat« in den überfüllten Gefängnissen der USA. → weiterlesen

IKONEN ZUM ANFASSEN

Berlin. Kreuzberg. 3. Juli 2011. In den folgenden Wochen wird hier mein Abschlussprojekt »Ikonen zum Anfassen« dokumentiert. »Ikonen zum Anfassen« wurde als Abschlusspraxisprojekt des 6. Semesters Druck- und Medientechnik an der Beuth Hoch­schule für Technik Berlin im Frühjahr/Sommer 2011 umgesetzt. Inhaltlich ist es ein »Geschichts­fächer«, der den oftmals unsichtbaren Teil der Geschichtsschreibung behandelt und der versucht, die weißen Seiten des großen Geschichtsbuchs etwas zu füllen.

Formell ist es ein Konglomerat verschiedener drucktechnischer Verfahren und einer Menge Handarbeit. Ästhetisch aus einem Guss, mit dem Anliegen, den abgebildeten Individuen und ihrer Einzigartigkeit gerecht zu werden.

Was alle abgebildeten Ikonen verbindet ist v.a. die Tatsache, dass sie in ihrem jeweiligen gesell­schaftlich-historischem Kontext Rebellen bzw. Rebellinnen waren oder sind. Sie zettelten also jeweils einen Umwälzungsprozess an, in dem sich das Untere nach oben kehren wollte, Randständiges ins Zentrum drängte, Ausgeschlossenes auf sein Recht der Be­teiligung pochte oder aber Entrechtete um den Respekt ihrer Würde rangen bzw. ringen. → weiterlesen

Wieviele Minuten Freiheit?

Kontrolle, bewaffnete Kontrollen, General-Verdacht als Sicherheitskonzept für eine Gesellschaft. Medellín gilt als Vorzeigemodell in Fragen kontrolliertem öffentlichen Raum

Medellín | 15.2.2011. Wir sitzen vor dem Rechner und gucken »Rosario Tijeras«, ein mäßiger Film eines mäßigen, dennoch bekannten kolumbianischen Buches über die Figur einer Auftragskillerin aus den Armenvierteln Medellíns, angesetzt in den 1980er Jahren. Das Buch gilt als exemplarisch für das Leben und die Gewaltätigkeit in den gesellschaftlichen Zuständen in Medellín bzw. Kolumbien gegen Ende des letzten Jahrhunderts.
Plötzlich fällt ein Schuss direkt vor unserem Fenster; wir gehen sofort in die Horizontale auf den Boden, fast instinktiv, wenn es so etwas gibt. Film und Realität scheinen für einen Moment ineinander zu verschmelzen. → weiterlesen

Freiheit für Álvaro Paredes!


Plakat zur Unterstützung und für die Freiheit von Álvaro Paredes

Quito | 28. Januar 2011. Wir stehen vor einer Stahltür im Norden Quitos, es ist Mittwoch, der 26. Januar, 11 Uhr. Es ist die Stahltür des »Carcél 4«, eines Gefängnisses in Quito, in dem normalerweise Politiker und Polizisten untergebracht sind, wenn sie auf der juristischen Ebene in Ungnade gefallen sind. Wir wollen einen jungen Antifaschisten von 20 Jahren besuchen; er sitzt seit Mai 2010 ein. Es ist Álvaro Paredes, dem vorgeworfen wird, den Faschisten Abraham Chimborazo erstochen zu haben.
»¡Defender tu vida no es un delito!« [Sein Leben zu verteidigen ist kein Delikt], so die Leitparole in der Kampagne für die Freiheit von Álvaro. Um dies zu unterstreichen stellte sich Álvaro zwei Wochen nach den für ihn tragischen Ereignissen der Justiz, unter der von den damaligen Anwälten herausgehandelten Voraussetzungen, dass er die Untersuchungshaft in eben jenem »Carcél 4« absitzen wolle.→ weiterlesen

Texaco Tóxico


22.12.2010 | Gasverbrennung am Bohrloch | »Texaco zerstört das Amazonasgebiet. Ich radele für das Leben«

Lago Agrio | 22. Dezember 2010. Auf unserer 3-wöchigen Rundreise befinden wir uns in Lago Agrio [»Saurer See«]. Als Namensgeber diente den herangekarrten Erdölarbeiter_innen als Vorbild der in den 1970er Jahren offiziell gegründeten Stadt »Sour City«, damaliger Sitz des Erdölmultis TEXACO. Dem Staate Ecuador diente die ganz im Süden gelegene Stadt »Loja« als namensgebendes Sinnbild, deren Region als wirtschaftlich nicht mehr ergiebig eingestuft wurde. Man wollte die Leute noch »Nueva Loja« in den Norden der Provinz Sucumbíos locken, als neue, zukunftsträchtige, dem Ölboom dieser Jahre prophezeite, moderne, pulsierende Stadt… Es wurde vom Profit für alle gesprochen, gemeint war wohl der der multinationalen Konzerne wie TEXACO. Bis heute hat die Stadt zwei Namen, offiziell heisst sie »Neuva Loja«, auf den Bussen steht »Lago Agrio«.
Wir trafen uns mit Donald M., um eine so genannte »Toxic-Tour« zu machen. → weiterlesen

Jetzt geht es rund…


16.12.2010 | Sprung Richtung Quito vom Pichincha aus…

Quito | 20. Dezember 2010. Ende des Jahres 2010. In den meisten Fernsehformaten laufen jetzt Sendungen über das vergangene Jahr 2010. Die Highlights, die größten Katastrophen, alles schick aufgemacht, aufregend moderiert, betroffen vorgetragen. Hauptkriterien einer Meldung ist die Sensation, sie hat dann Marktwert, wenn se sich zum Voyeurismus eignet.
Wir haben die erste Woche unserer Rundreise hinter uns. Eine Rundreise vom Charakter her eine Mischung zum Erleben und Hineinbegeben verschiedener Landschaften, Hochland, Dschungel, Küste, politische Landschaft. Erste Interviews haben wir im Kasten, um uns die Entwicklung des »Sozialismus de 21. Jahrhunderts« [in Ecuador] aus der Nähe anzusehen. Marlon Santi, Präsident der größten Indigenenorganisation nahm sich eine Stunde Zeit für uns, ebenso die Aktivistinnen von »Salud Mujeres« [Siehe Artikel hier im Blog »Erste Widersprüche«]. Ein Aktivist des [Jugend]Zentrums »La Hueca«, was noch vor wenigen Wochen geräumt worden war [siehe hier im Blog der Artikel »Brutale, illegale Räumung des selbstverwalteten Zentrums »La Okupa/Jugendhaus« in Quito«] berichtete uns über ihren Versuch endogene Stadtteilarbeit zu verankern über einen Zeitraum von fast 10 Jahren.
Auch das uraban-rurale Projekt »El Pungu« stellte uns ihr Projekt vor. Wir werden auf unserer Rundreise zahlreiche Interviews mit Aktivist_innen verschiedener sozialer Bewegungen führen. Möglicherweise kommt am Ende ein Mosaik über den inneren, widersprüchlichen Zustand des ecuadorianischen Entwicklungsprozesses hin zu einer anderen Gesellschaft heraus… Weniger ein Rückblick, als ein Ausblick über Möglichkeiten des Widerstands und realer Schwierigkeiten kapitalistische Logik auszuhebeln.
¡Todavia odiamos al capitalismo!
[Bis zum 8. Januar 2011 nur sporadische oder keine Einträge]