Ich sah der Menschen Angstgehetz,
Ich hört der Sklaven Frongekeuch.
Da rief ich laut:
Brecht das Gesetz!
Zersprengt den Staat!
Habt Mut zu euch!*
Kreuzberg | 24.12.2012. Der Reichstag brannte am 28. Februar 1933. Knapp einen Monat nach der Machtübertragung auf Nationalsozialisten nahmen diese den Brand zum öffentlichen propagandistischen Anlass, um tausende Gegner_innen – vor allem aber Kommunist_innen – in die ersten (wilden) KZs zu verschleppen. Obwohl die Faschisten den Reichstag selbst anzündeten, wurde behauptet, es seien Kommunist_innen gewesen.
Einer der verhafteten Oppositionellen war Erich Mühsam, Anarchist, Schriftsteller und Publizist. Seit Anfang der 1930er Jahre war Mühsam Mitglied der anarchosyndikalistischen FAUD in Berlin, deren Aktivitäten er zusammen mit Rudolf Rocker publizistisch entscheidend mitprägte. Mühsam war v.a. bekannt durch satirische Beiträge in verschiedenen Zeitungen der Weimarer Republik. Er schrieb für den Simplicissimus ebenso wie unter dem Synonym »Tobias« für die wöchentliche Beilage Ulk des Berliner Tageblattes.
Mühsam war zusammen mit Eugen Leviné Aktivist während der Münchener Räterepublik 1919 gewesen und wurde dafür anschließend zu lebenslanger Festungshaft verurteilt. Nach fünf Jahren wurden er im Rahmen einer Amnestie entlassen.
Die darauffolgenden Jahre arbeitete er für die Rote Hilfe Deutschlands zur Unterstützung politischer Gefangener und gegen die Klassenjustiz der Weimarer Republik. Nach seiner Haftentlassung zog er abermals nach Berlin und gab die Zeitschrift Fanal raus.
Der in eine jüdische Familie hineingeborene Mühsam trat 1926 symbolisch aus dem Judentum aus. Als kommunistischer Anarchist und Atheist war ihm jegliche religiöse Herangehensweise an das Leben zu wider.
Noch kurz vor seiner Verschleppung hatte Mühsam als Sonderausgabe der Zeitschrift Fanal seine fast programmatische Schrift »Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat – Was ist kommunistischer Anarchismus?« herausgebracht.
Da Erich Mühsam schon zu Lebzeiten ein bekannter Schriftsteller und Publizist war und vor allem gegen Militarismus agitierte, dabei konsequent einen pazifistischen Ansatz verfolgte, war er kein Unbekannter, als ihn die SA 1933 ins KZ Oranienburg verbrachte. Dort wurde er gefoltert und am 10. Juli 1934 bestialisch erschlagen. An ihm entlud sich der Hass der Faschisten, weil er als [ehemals] jüdischer Intellektueller und Anarchist ein Gegenkonzept zu ihrem Herrenmenschentum verkörperte.
Intellektuellenfeindlichkeit, Antisemitismus und ihre politische Gegnerschaft zu befreienden Konzepten des Marxismus oder libertären Gedanken waren der Hintergrund dafür, dass im wahrsten Sinne des Wortes Menschen wie Mühsam der Gar ausgemacht werden sollte. International wurde der Mord an Erich Mühsam als Selbstmord in Haft dargestellt.
Heute findet sich in der Gedenkstätte des ehemaligen KZ Oranienburg eine Erinnerungstafel für Erich Mühsam, ebenso sind einige Straßen in verschiedenen Städten nach einem der heute bedeutendsten Anarchisten benannt.
Informationen
Wikipedia | Erich Mühsam
Erich Mühsam Gesellschaft
Tagebücher Erich Mühsam online
Wikipedia | Marxismus
Wikipedia | Anarchismus
Wikipedia | Kommunistischer Anarchismus
Buch- und Lesetips
Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat | Was ist kommunistischer Anarchismus?| Erich Mühsam | Berlin | 1933
Erich Mühsam Tagebücher | Band I – III | Erich Mühsam und Chris Hirte, Conrad Piens | Verbrecher Verlag | 2010-12
Unpolitische Erinnerungen | Erich Mühsam | Edition Nautilus | 2000
Erich Mühsam | Brennende Erde Verse eines Kämpfers | Erich Mühsam | Guhl Verlag| 1978
Fanal. | Aufsätze und Gedichte 1905 – 1932 | Erich Mühsam, Kurt Kreiler | Wagenbach Klaus GmbH | 1992
Film- und Hörtips
Stehend auf zwei Gäulen | Der Anarchist Erich Mühsam | Dokumentarfilm | Peter Voigt | DDR 1984
Rotmord |Spielfilm | Peter Zadek | BRD 1968
Sich fügen heißt lügen | CD/LP | Slime | 2012
Kostenloser Download >>> »Die Erbtante« | Erich Mühsam
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Informationen zum Projekt »IKONEN ZUM ANFASSEN«
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