Rebell: Alí Primera

Wie erbärmlich leben die Kinder in den Häusern aus Pappe.
Wie glücklich leben die Hunde im Hause des Ausbeuters.
Ihr werdet es nicht glauben, aber es gibt Schulen für Hunde,
und sie lassen ihnen Bildung angedeihen,
damit sie die Tages­zeitungen nicht anknabbern,
aber der Herr, seit Jahren, vielen Jahren schon,
betrügt er den Arbeiter.
*

Kreuzberg | 1.12.2012. Im Alter von 18 Jahren zog Alí Primera 1960 mit seiner Mutter und zwei Brüdern in die Hauptstadt Vene­zuelas. Als 6-jähriger hatte er als Schuhputzerjunge arbeiten müssen und später zählte auch die Profession als Boxer zu seiner Überlebensstrategie. Trotz ärmlich­er Verhältnisse schaffte Alí Primera 1964 seinen schulischen Abschluss und schrieb sic⁄h an der Universität Central Caracas im Fach Chemie ein. Als Stundent begann er als Sänger und Komponist zu wirken. Seinen ersten Auftritt hatte er 1967 an der Andenuniversität auf einem Protestfestival.
Alí Primera war Aktivist in der Jugendorganisation der Kommunistischen Partei und in dieser Zeit auch Gründungsmitglied einer neuen Partei namens »Bewegung zum Sozialísmus«.
Dank eines Stipendiums der Kommuni­stischen Partei konnte Alí Primera zwischen 1969 und 1973 nach Europa reisen und nahm seine erste Platte in einem deutschen Tonstudio auf. »Gente de mi tierra« thematisierte die bittere Armut, sozialen Ausschluss der Mehrheit der Bevölkerung und wurde Dank der zwar poetisch-bildhaften und dennoch verständlichen Sprache ein großer Erfolg.
Nicht nur in Venezuela wurde Alí Primera einer der bekanntesten politischen Sänger, sondern in ganz Südamerika. So trat er auch auf dem legendären Konzert »Abril en Managua« 1983 im Zuge der revolutionären Veränderungen in Nicaragua auf. Musiker­_innen in der Tradition des Nueva Conción traten hier auf.
»Unserer Gesang ist kein Protestgesang, denn wir machen ein Lied nicht aus Ungezogenheit; wir nutzen es nicht, um uns zu schmücken oder Millionäre zu werden; es ist ein notwendiges Lied.«**, so Alí Primera. Sein Selbstverständnis drückte sich in der Art seines musikalíschen Wirkens aus; Texte, geformt durch die Poesie des Alltags, instrumentiert mit Gitarre und der »Cuatro«, einer typisch nord-südamerikanischen, vierseitigen, kleinen Gitarre.
Als politischer Ak­tivist blieb er der kommunistischen Partei treu und veröffentlichte bis zu seinem Tod 13 Schallplatten. Die öffentlichen Medien und die Regierung Venezuelas hatten ihn aus ihrem Programm verbannt, da seine Texte als zu umstürzlerisch galten.
Mit der Gründung seiner eige­nen, kleinen Plattenfirma »Cigar­rón« unterlief er die Zensur und der Anklang in der Bevölkerung war weiterhin enorm.
1985 starb Alí Primera im Alter von 42 Jahren bei einem Auto­unfall in Caracas, als er von Aufnahme­arbeiten seines letzten Projektes auf dem Weg nach Hause war. Er hinterließ nicht nur seine Lieder, die nach seinem Tod vielfach von anderen Musiker_innen neu eingespielt wurden, sondern auch eine Frau und sieben Kinder.
2005 erklärte das neue Vene­zuela unter Präsident Hugo Chavéz Alí Primeras Wirken zum »Nationalen Kulturerbe«. Seit der grund­legenden Veränderungen mit der Einführung der neuen Verfassung ab 1999 erlebt auch die Präsenz seiner Musik und Person im öffentlichen Raum Venezuelas erheblichen Auftrieb. Nicht nur zahl­reiche Denk­mäler sind errichtet worden, auch Schulen und Straßen wurden nach ihm benannt. In den Straßen Venezuelas ist seine Musik zu hören, sein Porträt ist eines der beliebtesten Motive neben Simón Bolivar und Ché Guevara an den Wänden der Häuser, egal ob in den einfachen Vor­städten, auf dem Land oder nun an offiziellen Regierungs­gebäuden.
Informationen
Wikipedia | Alí Primera
Wikipedia | Alí Primera | español
Buchtips
Cantaré| Songs aus Lateinamerika | Carlos Rincon, Gerda Schattenberg-Rincon | Verlag Neues Leben Berlin | 1978
Made in Venezuela | Notizen zur »boliviarianischen Revolution«. | Raul Zelik, Sabine Bittner und Helmut Weber | Assoziation A | 2004
Venezuela Bolivariana | Revolution des 21. Jahrhunderts? | Dario Azzellini | Neuer Isp-Verlag | 2007
Partizipation, Arbeiterkontrolle und die Commune | Bewegungen und soziale Transformation am Beispiel Venezuela | Dario Azzellini | VSA | 2010
La revolución somos todos – Die Revolution sind wir alle | Gespräche mit BasisaktivistInnen und Fotos aus Venezuela | Eva Haule | AG Spak Bücher | 2009
Filmtips
La revolución no será transmitida(Inside the Coup)| Dokumentarfilm | Kim Bartley, Donnacha O’Briain | 2003
Venezuela von unten| Doku-Film | Dario Azzellini & Oliver Ressler | 2004
5 Fabriken | Arbeiterkontrolle in Venezuela| Doku-Film | Dario Azzellini & Oliver Ressler | 2006
Comuna im Aufbau| Doku-Film | Dario Azzellini & Oliver Ressler | 2010
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