Rebellin: Marina Ginestà

Wir hatten das Gefühl, dass die Vernunft auf unserer Seite ist und wir siegreich den Krieg beenden werden.*

Barcelona | 24.2.2012. Das Foto einer jungen Milizionärin auf dem Dach des Hotels Colón in Barcelona vom Juli 1936 ist heute Symbol für den Widerstand der Spanischen Republik gegen den Putsch der Truppen unter dem späteren faschistischen Diktator General Franco.
Lange war die abgebildete Person unbekannt, bis ein Journalist 2008 Marina Ginestà in Paris ausfindig machte. Die 89 alte Frau war mit 17 Jahren in Spanien Übersetzerin für eine psycho­analytischen Arzt gewesen und beteiligte sich bewaffnet an der Verteidigung der sozialistischen Idee. »Drei Tage nach der militärischen Erhebung gegen die republikanische Regierung posiert diese Übersetzerin und Stenotopistin, die mit der kommunistischen Jugend verbunden war, auf dem Dach eines Hotels, Barcelona im Rücken. In dem heutigen Bankgebäude hatten sich seinerzeit ihre Kampfgenossen einquartiert.«**
Marina selbst sagte 72 Jahre später zur legendären Foto­aufnahme, in der sie ein Gewehr über der Schulter trägt: »Es ist ein großartiges Foto, es reflektiert das Gefühl, welches wir in diesem Moment hatten. Der Sozialismus war endlich da, die Hotelgäste waren fort. Euphorie lag in der Luft. Wir haben uns im Colón niedergelassen, aßen gut, wie gutbürgerliche Leute, […] man sagt, dass ich auf diesem Foto einen entzückenden Blick habe. Das kann sein, weil wir mit der mythischen proletarischen Revolution und mit Bildern aus Hollywood von Greta Garbo und Gary Cooper aufwuchsen.«***
Marina Ginestà steht heute auch stellvertretend für die selbstbewusste und selbstverständliche Teilnahme von Frauen an revolutionären Prozessen bzw. historisch bedeutenden Ereignissen. Auf einem anderen Foto ist sie mit der anarchistischen Revolutionslegende Durruti zu sehen. Sie war eine jener Milizionärinnen, die u.a. in den kommunistisch geprägten »Mujeres antifascistas« oder den libertären »Mujeres Libres« organisiert waren.
Die »Mujeres Libres« waren eine im April 1936 gegründete anar­chistische Frauenorganisation. Sie vertraten das theoretische Konzept des »Doble Lucha« [doppelter Kampf]. Sie wollten gemeinsam mit den [anarchistischen] Männern für eine herrschaftsfreie Gesellschaft kämpfen, aber gleichzeitig gegen die sexistische Tradition ankämpfen, die sich sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen festgesetzt hat. Ihr Hauptaugenmerk lag auf der ökonomischen Unabhängigkeit und Bildung von Arbeiterfrauen. 1936 wurde Abtreibung im katholizistischen Spanien durch die einzige anarchistische Gesundheitsministerin der Geschichte Federica Montseny legalisiert. Um die hohe Analphabetenrate der spanischen Frauen zu verringern und ihnen Zugang zu Kultur zu ermöglichen, wurden in Barcelona, Madrid und Valencia eigene Schulen eingerichtet. In diesen Schulen fanden Kurse für Fremdsprachen und soziale und technische Berufe statt. Die Organisation wuchs rasch, von etwa 500 Mitstreiterinnen im Frühjahr 1936 auf an die 30.000 in 143 Ortsgruppen organisierte Frauen im Jahre 1938.
Mit Beginn des Bürgerkrieges tauschten Frauen der »Mujeres Libres« ihre »Röcke gegen Overalls« – wie es damals symbolisch beschrieben wurde – und beteiligten sich bewaffnet an der Front. Es gab auch eine Kolonne der »Mujeres Libres«. Ein Batallion benannte sich nach Rosa Luxemburg.
Heute lebt Marina Ginestà in einem einfachen Appar­tement in Paris.
Informationen
Artikel zu Marina Ginestà (español)
Wipedia »Mujeres antifascistas« (espanõl)
Wikipedia »Mujeres libres«
Wikipedia »Spanischer Bürgerkrieg«
Buchtips
Der kurze Sommer der Anarchie | Hans Magnus Enzensberger | Suhrkamp Verlag | 1977
Mein Katalonien | Bericht über den Spanischen Bürgerkrieg | George Orwell | Diogenes Verlag | 1975
Der Abend vor der Schlacht. Stories aus dem Spanischen Bürgerkrieg | Ernest Hemmingway | rororo | 1983
Venceremos | 1939/2009 – Zum Spansichen Bürgerkrieg und seinen Folgen | Hrsg. Antifaschistische Linke Berlin [ALB] | Berlin 2009
Durruti | Leben und Tod des spanischen Anarchisten | Abel Paz | Edition Nautilus| 2003
Filmtips
Land and Freedom | Spielfilm | Ken Loach | 1995
Die Utopie leben | Dokumentarfilm | Juan Gamero, F. Ríos, Mariona Roca und Mitzi Kotnik | 1997
Unter der schwarzen Fahne Anarchisten in Spanien | Dokumentarfilm | Reinhold Behm | 1984
Die lange Hoffnung: Clara Thalmann und Augustin Souchy in Spanien | Dokumentarfilm | Pepe Danquart | 1983
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