Ecuador: Antidemokratische Grundhaltung von Polizei

Quito | 3. Oktober 2010. Die offizielle Begründung der am 30. September 2010 in Ecuador gegen die Regierung Correa putschenden Polizeieinheiten waren angebliche Kürzungen im öffentlichen Sektor. Hintergrund bildet hier das am Mittwoch zuvor verabschiedete Gesetz zur Neuregelung des öffentlichen Dienstes (Ley Orgánica de Servicio Público).

Konflikt und Darstellung
Die Fernsehkameras zeigten aufgebrachte Polizisten und Polizistinnen, die sich über die Kürzung ihrer Zuschläge beschwerten, der zweite Satz enthielt aber unmittelbar ein »Abajo Correa«, nieder mit Correa.
In den westlichen Medien, bis hinein in linke Veröffentlichungen, wurden in den ersten Berichten über den Putschversuch, die opponierenden Polizeieinheiten als Endpunkt einer Protestbewegung bezeichnet; dann sei die Lage (spontan) eskaliert. Dies ist schlichtweg falsch. Es gab keine Protestbewegung, noch gab es einen Vorlauf bei der Polizei, weder bei den Angestellten der Flughäfen noch sonstigen Sektoren des öffentlichen Dienstes.
Auch die partiellen Widersprüche in Bezug auf die Umgestaltung der Lehre, das Eingreifen in das bisherige (Lehr)System der Universitäten hat mit dem neu verabschiedeten Gesetz zur Neuregelung des öffentlichen Sektors reichlich wenig zu tun.

Ley Orgánico de Servicio Público
Das Ley Orgánico de Servicio Publico ist Teil eines Gesamtprozeses der Umgestaltung des administrativen Staatsapparates, das darauf abziehlt, einerseits informelle und ökonomische Transparenz herzustellen, die Löhne andererseits zu heben und anzugleichen. Auch die Korruption soll durch diese Maßnahmen zurückgedrängt werden. Über Jahrzehnte durch Vetternwirtschaft, Korruption und mangelnde Bezahlung entstandene Privilegien sollen abgeschafft werden. Sie waren Ergebnis eines korrupten Staatsapparates, der instransparent und unverantwortlich mit seinen eigenen Angestellten umgegangen ist.
Orgánico bezeichnet in diesem Zusammenhang in der Formulierung des Gesetzes die deutliche Herausstellung dieser übergeordneten Prinzipien, es beschränkt sich nicht auf bürokratische Detailspielchen.
In Bezug auf die 42.000 Polizisten und Polizistinnen, deren konkreter Umbau parallel zu dem des Militärs und der Feuerwehr von Statten geht, bedeutet dies formell die Abschaffung von Sonderzuschlägen, »Weihnachtskörben« und Spielzuegzuschlag für die Kinder von Sicherheitskräften.
Demgegenüber steht eine 102% Steigerung der Einkommen von Militär, Feuerwehr und Polizei seit 2006. Während ein in den Dienst eingetretener Polizist als Grundgehalt 160 Dollar verdiente, der Durchschnitt 2006 des Polizeieinkommens bei 355 Dollar lag, verdienen Polizistinnen und Polizisten heute im Durchschnitt 886 Dollar. Die höheren Ränge sind hier nicht mit eingerechnet, die verdienen wesentlich mehr. Der gesamte Polizeiapparat wurde erneuert, das reicht vom Fuhrpark, über Kleidung, Büroausstattung, Einführung moderner Computersysteme und mehr Waffen. Insgesamt wurden 114 Millionen US-Dollar in den letzten vier Jahren in den Polizeiapparat investiert.
Hinzu kommen zweifelhafte Privilegien wie bei Umzug eines Beamten die zur Verfügungstellung einer Wohnung und Unterstützung für die gesamte Familie. Auch in Fällen von Ermittlungen gegen Polizeibeamte wegen Übergriffen oder juristischer Vergehen, wird ihnen ein bezahlter Anwalt zur Verteidigung zur Verfügung gestellt. Angesichts bestehender Korruption und mangelndem demokratischen Bewusstsein höchst zweifelhafte Privilegien.
Kaum eine andere Berufsgruppe ist in den letzten Jahren derart bevorteilt und ausgerüstet worden.
D.h. unterm Strich wurde nicht nur strukturell zugelegt, sondern das individuelle Einkommen verdoppelt und das System der undurchsichtigen so genannten Zulagen abgeschafft.

Warum wird opponiert?
Rafael Correa sprach in seiner samstägigen Ansprache von einer »Grupo malo«, einer »bösen Gruppe« innerhalb der 42.000 Polizisten. Er hob hervor, dass 99% der Polizei auf guten Polizisten bestünde, lediglich 1% also regierungsfeindlich einzustufen sei. Während des Putschtages fragte er immer wieder die aufgebrachten Polizisten, ob sie denn das Gesetz kennen und gelesen hätten. Über die einheitliche Antwort, dass sie es nicht gelesen hätten, empörte er sich lautstark mehrfach vor laufenden Kameras. Für Correa offensichtlich der Versuch, die hohe Anzahl der beteiligten Polizisten am Putsch auf Dummheit und der Ausnutzung durch Hintermänner, zu erklären. Die Mehrheit sei Opfer einer Konspiration wegen mangelnder Information.
Auch wenn Correa von der Beteiligung von Polizeieinheiten, Militäreinheiten und Hintermännern aus den rechten Kreisen um Lucio Gutiérrez sowie ausländischen Unterstützern sprach, erklärt dies nicht vollständig die Haltung der aggressiv auftretenden Polizei.
Es ist vielmehr davon auszugehen, dass eine entsprechende sozial-politische Haltung der den Polizeidienst versehenden Menschen Hintergrund für die sinnfreie Interpretation des Gesetzes einerseits und das Einspannen für Putschpläne andererseits, ist. Auf eben diese antidemokratische Grundhaltung und völlig fehlendes Unrechtsbewusstsein ist zurückzuführen, dass die überwiegende Mehrheit der Polizisten auf der Straße war. Auch die verinnerlichte Privilegienabsicherung durch Korruption dürfte ein wesentlicher Grund sein, das Gesetz kippen zu wollen, trotz Verdoppelung des Gehaltes.
Eine derartige Aufrüstung des Polizeiapparates und seiner Infrastruktur ohne begleitende edukative Maßnahmen, mit dem eindeutigen Ziel der Demokratisierung, der Schaffung eines anderen Bewusstseins im Sinne der »Revolucion Ciudadana«, kann am Ende gegen die Regierung Correa selbst zum Stolperstein werden. Correa findet sich dann eben in jener Situation wieder, in der die von ihm zur Verfügung gestellten Waffen, auf ihn gerichtet sind. Es ist also spätestens nach dem Putschversuch der vergangenen Tage an der Zeit, neben moderner Infrastruktur, transparenter und gerechter Beazhlung, tatsächlich einen fundamentalen Umgestaltungsprozess auch im Bewusstsein jedes einzelnen Waffenträgers einzuleiten.
Letzte Meldungen sprechen davon, dass die gesamte Führunsspitze, darunter sechs hohe Generäle der Polizei. Die Staatsanwaltschaft ließ drei an dem Putsch beteiligte Coronels (Oberst) wurden zunächst verhaftet. Alle drei gehören dem Regimiento Quito 1 an.

Informationen auch unter: www.amerika21.de
Foto-Links: http://ecuador.indymedia.org/