Cenote „Xpanche“ in der Nähe der Maya-Stätte Ek Balam | 13.2.2018
20.1.2018 Valladolid/Rio Lagartos. Valladolid gilt so einigen Einwohner*innen als Chispa, als Funke, als Ort der Widerständigkeit, nicht nur wegen der Widerstandskraft der Maya gegen den Conquistadoren des Montejo-Clans.
Auch im sogenannten »Guerra de Castas« (Kastenkrieg) war Valladolid u.a Ausgangspunkt der Intialzündung sich gegen die Spanischen Besatzer, Großgrundbesitzer und die katholische Kirche zu erheben. Das betonte unser Guia der Free Walking Tours Roberto, als er darauf hinwies, dass die offizielle Geschichtsschreibung davon ausgeht, dass der Kastenkrieg aus anderen Gründen (Hinrichtung eines Maya-Kämpfers) und an einem anderen Ort (Tihosuco) ausgelöst worden sei.
Roberto wusste folgende Geschichte zu berichten: Die Kirchenvertreter Valladolids wiesen die Maya-Familien Mitte des 19. Jahrhunderts an, ihre 15-jährigen Töchter zu ihrem eigenen Schutz und ihrer Gedeihung in das örtliche Kloster zu übergeben. Dies war keine Empfehlung, sondern eine Anordnung, wie es bereits über 300 Jahre Anordnungen mit gottesfürchtiger Ableitung gegeben hatte.
Monate vergingen und unter ständigen Ausreden, religiösen Ausflüchten wurde den Familien nicht erlaubt, ihre Töchter im Kloster zu besuchen oder auch nur zu sehen. Als die Familienangehörigen immer misstrauischer wurden, sandten sie einen jungen Mann, der über die Mauer des Klosters spähen sollte, um zu sehen, ob die Töchter überhaupt im Kloster seien und lebten.
Als die Töchter nach ihrer morgendlichen Messe in den Garten des Klosters traten, hatte der junge Maya zu berichten, dass sie alle geschwängert seien. Das war der Tropfen zum Überlaufen nach jahrhundertelanger Knechtschaft, Unterdrückung und katholischer Begleitmusik.
Die Maya bewaffneten sich mit ihren Bau-, Handwerks- und Landwirtschaftswerkzeugen, brannten das Kloster und seine Einrichtung nieder und töteten die Vertreter Gottes auf Erden.
In der einzigen diagonal verlaufenden Straße, dem ehemaligen Sak Bé, hatte sich die wohlhabende Schicht der Spanier*innen eingerichtet, Häuser im Kolonialstil errichtet – je höher die Fassade, desto reicher. Hier fand nun die Rache der Maya, später bekannt als Cruzoob, statt. Sie zerrten die Mestizen, wie Spanier aus den Häusern, töteten, erniedrigten sie, legten ihre Leichen sichtbar in die Hauseingänge und vergewaltigten z.T. Frauen und Mädchen.
Bevor es ab 1847 zu weiteren Aufständen der Cruzoob kam, hatte Valladolid bereits der Funke gezündet. Der sogenannte Kastenkrieg dauerte über 50 Jahre auf der Halbinsel Yucatán, sein Ende wird offiziell auf das Jahr 1901 datiert. Einzelne, eher isolierte Aufstände fanden noch bis ins Jahr 1935 statt. Bisherige Forschungen gehen davon aus, dass 40-50.000 Opfer in diesem harten Krieg zu beklagen seien.
Die Cruzoob
Cruzoob (Kreuzler) war die Selbstbezeichnung der Maya-Kämpfer in der Zeit des Kastenkrieges, die den Kult des Sprechenden Kreuzes praktizierten. Die Bezugnahme auf ein in ein Baum geschnittenes Kreuz entspringt der Erzählung des damaligen spirituellen und dann auch militärischen Anführers der Maya-Aufständischen. Dieser (José Maria Barrera) habe die Aufforderung zum Aufstand gegen die Weißen direkt von Gott erhalten, der durch das Kreuz zu ihm gesprochen habe.
Mehrere Aspekte des Kultes des Sprechenden Kreuzes basieren wiederum auf Mythen traditioneller Vorstellungen der Maya, was überhaupt erst seine Durchschlagskraft ausmachte und zur Gründung einer Stadt führte (Chan Santa Cruz).
Chan Santa Cruz wurde zum Widerstandszentrum der Cruzoob.
Das eingeschitzte Kreuz befand sich auf einem Baum (Ceiba = Lebensbaum der Maya), der aus einer Höhle (heiliger Ort) wuchs, in der Nähe einer Cenote, die wiederum ein Ort des Regengottes Chaac war.
Kunsthandwerk | Casa de los Venados | Sykretistischer Lebensbaum; christliches Kreuz und grüner Ceiba | Valladolid | 12.2.2018
Synkretismus und Maya-Staat
Diese Art von Sykretismus ist auch heute durchaus weit verbreitet. So ist einerseits der Katholizismus verankert, andererseits die religiösen Traditionen der Maya-Erzählungen und -symbolismen präsent. Die Kirchen sind erstaunlich gut besucht, oft hängt hier auf der Halbinsel ein grünes Kreuz, welches eben gleichzeitig Ceiba symbolisiert. Das sich selbst »kreuzigen« beim Betreten eines bedeutenden Ortes ist ebenso verbreitet, wie sich anschließend beim Picknick Geschichten vom Regengott Chaac oder der Mondgöttin Ix Chel zu erzählen. Hängt indessen ein weißes Baumwollhemd mit traditionell gestickten Motiven über dem grünen Kreuz in einem Haus, so ist dies das Aufgreifen des Symbols der ehemaligen Aufständischen Cruzoob, deren Maya-Republik zwischen Valladolid, Tulum und Bacalar nur wenige Jahrzehnte Bestand hatte (1850-1901).
Ihre gegründete Hauptstadt Chan Santa Cruz wurde von den mexikanischen Militärs unter General Ignacio Bravo 1901 eingenommen, völlig zerstört und erhielt seinen Namen: Santa Cruz de Bravo. Anschließend wurden die umliegenden Waldgebiete an ausländische Holzkonzerne verkauft, die intensive Abholzung und Kautschukgewinnung betrieben. General Bravo wurde mit dem Posten des Gouverneurs für das Territorium Quintana Roo belohnt.
Im Zuge der mexikanischen Revolution (1910-1921) wurde General Bravo als Gouverneur von Quintana Roo durch General Salvador Alvarado abgelöst, der den Auftrag hatte, die sozio-ökonomischen Ursachen des Krieges zu beseitigen und der den Kastenkrieg im September 1915 für beendet erklärte. In den 1920er Jahren wurden die 1901 geraubten Ländereien im Gebiet des einstigen Chan Santa Cruz an die Maya-Dorfgemeinden rückübertragen.
Seit 1930 trägt dieses ehemalige Zentrum des Maya-Aufstandes den Namen Felipe Carrillo Puerto.