Wäre ich in Lateinamerika, würde ich mit der Waffe in der Hand kämpfen. Ich bin nicht in Lateinamerika, ich bin in der Bundesrepublik. Wir kämpfen dafür, daß es nie dazu kommt, daß Waffen in die Hand genommen werden müssen. Aber das liegt nicht bei uns. Wir sind nicht an der Macht.*
Kreuzberg | 6.2.2012. 2008 wurde ein Teil Kochstraße in Berlin nach jahrelangen öffentlichen Konflikten und einer Volksbefragung in Rudi-Dutschke-Straße umbenannt. Der kurze Straßenabschnitt grenzt direkt an die Axel-Springe-Straße. Ausdruck der Konfrontation der APO, als deren studentischer Kopf Rudi Dutschke heute gilt oder eher Ausdruck der integrativen Umarmungsgeste einer Gesellschaft, die die Revolte von 1968 gerne als Teil ihrer demokratischen Verfasstheit interpretieren will?
Rudi Dutschke wurde am 11. April 1968 vom einem rechtsgerichteten Schützen in den Kopf geschossen. Zu dieser Zeit hatten die bürgerlichen Medien Dutschke als »Rädelsführer« etikettiert. Im Februar 1968 war der »SDS-Ideologe Dutschke« als »ungewaschene, verlauste und verdreckte Kreatur«** beschimpft worden. Die öffentlichen Schmähungen gegen Dutschke drückten den Reflex gegen den Aufruhr der 68er-Generation gegen ihre Eltern und Großeltern aus, die verbal und handfest mit den verinnerlichten, menschenverachtenden Idealen des Faschismus versuchten einer umwälzenden gesellschaftlichen Veränderung den Gar aus zu machen.
Dutschke überlebte, musste sich aber in jahrelanger Selbstdisziplin Sprechen, Schreiben und die gesamte Motorik wieder aneignen. Nach den Schüssen auf Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 und dem Attentat auf Dutschke veränderte sich das politische Klima in der BRD nachhaltig. Der SDS – in dem seit 1966 Dutschke maßgeblich aktionistisch und ideologisch aktiv gewesen war – löste sich 1970 selbst auf. Die so genannten K-Gruppen entstanden, andere Aktivist_innen formten Stadtguerillas [RAF, Bewegung 2. Juni, später die RZ und Rote Zora].
Die einen wollten mit dem »Marsch durch die Institutionen« Veränderung erreichen, andere setzen auf bewaffneten Kampf. Dutschke blieb Befürworter aktionistischer, organisierter, linksradikaler Politik.
Der gut ausgebildete Marxist und Philosoph scheute sich nicht in öffentlichen Interviews auf einem hohen sprachlichen Niveau für die Abschaffung kapitalistischer Verhältnisse einzutreten. »Die „Propaganda der Schüsse“ [Che Guevara] in der „Dritten Welt“ muß durch die „Propaganda der Tat“ in den Metropolen vervollständigt werden, welche eine Urbanisierung ruraler Guerilla-Tätigkeit geschichtlich möglich macht. Der städtische Guerillero ist der Organisator schlechthinniger Irregularität als Destruktion des Systems der repressiven Institutionen.«***
Dutschke ging nach seiner Rehabilitationszeit nach Dänemark, wo er u.a. an der Universität Groningen unterrichte. Ende der 1970er Jahre verfolgte er die Idee eine sozialistische, ökologische Bewegung bzw. Organisation aufzubauen. Er war Mitglied der grünen Partei in Bremen, die als erste in der Geschichte Sitze in einem Landesparlament inne hatte. 1979 erlag Dutschke den Spätfolgen des Attentats.
Informationen
Wikipedia | Rudi Dutschke
Wikipedia | Rudi Dutschke Straße
Mythos Rudi Dutschke
Gretchen Dutschke-Klotz zu einigen 1968ern
Linksammlung zu Rudi Dutschke
Buchtips
Rudi Dutschke. Mein langer Marsch. Reden, Schriften und Tagebücher aus zwanzig Jahren. | Gretchen Dutschke-Klotz | Rowohlt | 1993
Rudi Dutschke | Wir hatten ein barbarisches, schönes Leben | Gretchen Dutschke-Klotz | Kiepenheuer & Witsch | 2006
Der 2. juni 1967 | Bibliothek des Widerstands | Band 1 | mit Film | Laika Verlag | 2010
Rudi Dutschke | Aufrecht Gehen | Bibliothek des Widerstands | Band 12 | mit Film | Laika Verlag | 2010
1968 | Eine Zeitreise | Ingrid Gilcher-Holtey | Suhrkamp Verlag | 2008
Das rote Jahrzehnt | Unsere kleine deutsche Kulturrevolution 1967-1977 | Gerd Koenen | Fischer Verlag | 2002
Der eindimensionale Mensch | Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft | Herbert Marcuse] | Luchterhand Verlag | 1968
Filmtips
Dutschke | Fernsehfilm | Stefan Krohmer | 2009
Dutschke, Rudi, Rebell| Dokumentarfilm | Jürgen Miermeister | 1998
Aufrecht gehen | Rudi Dutschke – Spuren | Dokumentarfilm | Helga Reidemeister | 1988
Rudi Dutschke – sein jüngestes Portrait | Dokumentarfilm | Wolfgang Venohr | 1968
Zu Protokoll: Günter Gaus im Gespräch mit Rudi Dutschke | Interviewfilm | 1967
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Informationen zum Projekt »IKONEN ZUM ANFASSEN«
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