Wir Kommunisten sind alle Tote auf Urlaub,
dessen bin ich mir bewusst.*
Kreuzberg | 29.7.2012. »Es lebe die Weltrevolution!« soll der Kommunist und führender Kopf der Münchener Räterepublik, Eugen Leviné gerufen haben, als ihn die Kugeln im Münchener Gefängnis Stadelheim am 5. Juni 1919 niederstreckten. Es war die Vollstreckung des ersten Todesurteils der gerade gegründeten Weimarer Republik. Die Existenz der Republik in Deutschland ist eben auf Personen wie Eugen Leviné zurückzuführen, die die Novemberrevolution 1918 initiierten und mittrugen, den Krieg damit beendeten und die Monarchie entmachteten.
Leviné hatte als russischsprachiger Jude schon an den russischen Revolutionsversuchen um 1905 teilgenommen, wurde verhaftet und schwer gefoltert. Durch Einfluss seiner Mutter wurde er in Russland freigekauft, kehrte nach Heidelberg zurück, wo er 1908 seinen Abschlus als Dr. phil. in Nationalökonomie machte.
Er trat der SPD bei, war während des I. Welkriegs Dolmetscher in einem Kriegsgefangenen-Lager und Mitbegründer der KPD 1919. Nach dem Sieg der russischen Oktoberevolution 1917 hatte Leviné für die Nachrichtenagentur ROSTA in der sowjetischen Botschaft gearbeitet.
Im März 1919 schickte die KPD-Zentrale den vergleichsweise erfahrenen Revolutionär nach München, um einerseits für die dortige »Rote Fahne« zu arbeiten und andererseits die aufkommende Münchener Räterepublik mit zu gestalten.
»Als Jude, Russe und Kommunist zog er sich den besonderen Haß des Bürgertums und von Teilen der Linken zu. Nachdem die Mehrheit im Aktionsausschuß am 27. April die Bildung einer „bodenständigen Regierung“ aus „echten Bayern“ beschloß, trat Leviné zurück. „Ein hagerer Mann, aus dessen eingefallenem Gesicht die gebogene fleischige Nase groß hervorspringt“, beschrieb ihn der Dichter und ehemalige USPD-Aktivist Ernst Toller noch 1933 mit antisemitischem Unterton. Knapp zwei Wochen nach dem Ende der Räterepublik wurde Leviné am 13. Mai von einem Spitzel gegen ein Kopfgeld von 10 000 Mark an die Polizei verraten. Bei dem anschließenden Hochverratsprozeß ging es nicht um Recht, sondern nur noch um Macht. […] „Vielleicht hätte er sein Leben retten können. Das wäre dann aber nicht mehr das Leben eines revolutionären Führers gewesen und hätte seiner Sache nicht mehr gedient. Es gibt kein Schachern, wenn es um menschliche Integrität geht. Ein kompromißlerischer, kriecherischer Leviné hätte in einem langen Leben nicht mehr das erreicht, was er in seinen letzten Tagen erreicht hat. Aus dem einfachen Grund, weil er dann moralisch tot gewesen wäre“, beschrieb seine Frau Rosa Meyer-Leviné seine Motive.«**
Der Gefahr bewusst, in der er sich befand, war Leviné zunächst untergetaucht, konnte jedoch der pogromartigen Stimmung gegen die Revolutionäre im erzkonservativen Bayern nicht entkommen. Viele Arbeiter_innen gingen in den Streik, nachdem Leviné ermordet worden war.
Informationen
Wikipedia | Eugen Leviné
Kommunisten-Online | Eugen Leviné
Projekt | 90 Jahre Räterepublik München
Wikipedia | Räterepublik
Buchtips
Leviné. Leben und Tod eines Revolutionärs. Erinnerungen.| Rosa Meyer-Leviné | Fischer Verlag | 1972
Eugen Leviné | Erzählung | Mikhail Slonimski | Dietz-Verlag Berlin | 1949
Wie Tränen im Ozean | Romantrilogie | Manès Sperber | DTV | 1997
Revolution und Räterepublik München 1918/19 in Augenzeugenberichten | Gerhard Schmolze | DTV | 1982
Eine Jugend in Deutschland | Ernst Toller | rororo | 1978
Von Eisner bis Leviné. Die Entstehung der bayerischen Raeterepublik. | Persönlicher Rechenschaftsbericht über die Revolutionsereignisse in München vom 7. Nov. 1918 bis zum 13. April 1919. | Erich Mühsam | Berlin-Britz-Verlag Original | ohne Verlag um 1970
Filmtips
Es geht durch die Welt ein Geflüster | Dokumentation | Ulrike Bez | 1989
Rotmord | Spielfilm | Peter Zadek | 1969
Die Dichter und die Räterepublik. | Spurensuche einer vergessenen Revolution. | Dokumentation | Wolfgang F. Henschel | 1990
Die Münchner Räterepublik | Teil I – Kurt Eisner – zwischen Demokratie und Diktatur | Fernsehfilm | Helmuth Ashley | 1969/1970
Die Münchner Räterepublik | Teil II – Ende mit Schrecken | Fernsehfilm | Helmuth Ashley | 1969/1970
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