Quito | 7.11.2010. In der letzten Woche wurde der Vorsitzende der FEUE [Federación de Estudiantes Universitarios del Ecuador], der studentischen Förderation Ecuadors, Marcelo Rivera wegen »Terrorismus« verurteilt. Ihn erwartet eine Strafe zwischen 6 – 9 Jahren. Die Bestätigung des Urteils und die Festlegung der Höhe der Strafe seitens des obersten Gerichtes [von Pichincha] steht noch aus. Es gilt jedoch als sicher, dass dieses politische Urteil des »Terrorismus« bestätigt werden wird.
Marcelo Rivera ist seit über drei Wochen im Hungerstreik, ist beim entscheidenden Gerichtstermin am 30. Oktober 2010 wegen Schwäche zusammengebrochen, so dass die Verhandlung abgebrochen und um einige Tage verschoben werden musste. Marcelo Rivera sitzt seit über zehn Monaten ohne juristische Beweise in Untersuchungshaft.
Er ist der erste politische Gefangene seit Jahrzehnten, der wegen »Terrorismus« angeklagt und verurteilt wurde. Weder unter erzkonservativen Regierungen, noch zu Zeiten aktiver Guerillaktivitäten in den 1980er Jahren, hat es einen ähnlichen harten Vorwurf gegeben. Die Justiz der Regierung Correa macht hiermit einen Präzidenzfall auf, der wegweisend für den zukünftigen Zungenschlag von Repression gegen linke Aktivist_innen und Organisationen ist.
Wer ist Marcelo Rivera?
Marcelo Rivera ist kein Unbekannter. Er ist nicht nur Vorsitzender der FEUE, er ist seit Jahrzehnten einer der bekanntesten Köpfe aus dem Spektrum links-orthodoxer Gruppen. Er war sowohl Vorsitzender der JRE [Joventud Revolucionaria del Ecuador] als auch der FESE [Federación de Estudiantes Secundarios del Ecuador], war zunächst Vizepräsident, später Präsident des Schülerrates. Er machte sich stark gegen die Pflichteinführung von 2 Religionsstunden in der Zeit des Präsidenten Sixto Dura Ballén in Mitte der 1990er Jahre, später kämpfte er gegen internationale auf Zentralamerika zugeschnittene Freihandelsabkommen wie den CAFTA [TLC], gegen Sozialkürzungen oder auch universitäre Veränderungen in Richtung Privatisierung oder Beschränkung von Mitbestimmungsrechten von Student_innen.
Ab 2005 war er als Student der Sozialwissenschaften in der Fakultät der Philosophie und der Erziehungswissenschaften in der »Universidad Central de Quito« eingeschrieben. Auch hier bekleidtete er mehrere Posten in studentischen Gremien der Mitbestimmung.
Als wichitgestes Kapitel seiner politischen Aktivitäten beschreibt Marcelo Rivera die Beteiligung zur Umsetzung eines Referendums für eine neuen Verfassung. Viele Vorschläge der umgesetzten Neuen Verfassung Ecuadors dürften auch die Handschrift von Marcelo Rivera tragen. Er war als Präsident der FEUE an der konkreten Umsetzung der Texte für die Neue Verfassung auch im Nationalkongress beteiligt.
Marcelo Rivera versteht sich als revolutionärer Linker an der Seite des Volkes.
Der Fall Marcelo Rivera
Am 8. Dezember 2009 tauchten Student_innen der FEUE gegen den Willen der Veranstalter in der »Universidad Central« auf, um eine Veranstaltung zur Zukunft der Universität zu stören, auch der Rektor der Universität, Edgar Samaniego, wurde tätlich angegriffen. Trotz des Status‘ der Autonomie, drangen mit Einverständnis des Rektors 200 Polizisten auf der Gelände der Universität ein und nahmen in unmittelbarer Nähe drei Studenten fest, darunter auch Marcelo Rivera. Die Staatsanwaltschaft behauptete zunächst, die Mitglieder des universitären Rates hätten entführt werden sollen und der Rektor sei angegriffen worden.
Die drei Studenten kamen in Untersuchungshaft. Im Laufe des Frühjahres 2010 entwickelte sich der Fall um Marcelo Rivera zu einem politischen Possenspiel. Obwohl der Rektor selbst aussagte, dass es nicht Marcelo Rivera gewesen sei, der ihn angeriffen hätte, wurde Marcelo Rivera der »terroristischen Aggression« bezichtigt. Die anderen beiden Studenten wurden auf freien Fuss gesetzt.
Trotz zahlreicher entlastender Aussagen zu den unmittelbaren Geschehnissen in der Universität und in Bezug auf die Person Marcelo Rivera sowie einer mustergültigen Sozialprognose, wurde Marcelo Rivera Anfang November 2010, nach über zehnmonatiger Untersuchungshaft, wegen »Terrorismus« verurteilt.
Politischer Gefangener im Hungerstreik
Die Anwälte Riveras geben an, dass es seit Anfang an eine Intervention seitens der Regierung Correa im Fall Rivera gegeben habe. Es habe Anweisungen und Gespräche im Hintergrund mit Gericht und Staatsanwaltschaft gegeben. Es sei ein exemplarischer Fall politischer Verfolgung und Repression. Und in der Tat, es gibt keine logische noch juristische Erklärung dafür, warum ein linker Oppositioneller vom Bekannheitsgrad Marcelo Riveras wegen einer nicht begangennen Tat, einer Bagatelle, als Terrorist abgeurteilt wird.
Und so finden sich nicht nur zahlreiche Aufrufe für die Freilassung des politischen Gefangenen Marcelo Rivera im Internet, in Zeitungen oder als Graffiti an den Wänden in Quito, Guayaquil und Cotopaxi. Mittlerweile haben sich zahlreiche Stundent_innen oder auch einzelne Professoren einem Solidaritätshungerstreik angeschlossen; in Cotopaxi allein 15 Personen.
Juristisch ist der Fall Marcelo Rivera abgeschlossen. Der Hungerstreik des linken Aktivisten dauert nun schon drei Wochen an. Wenn das Leben und die Freiheit von Marcelo Rivera nicht in Gefahr geraten soll, hilft nur eine politische Lösung. Die ist aber derzeit weder Seitens der Gerichte, der Staatsanwaltschaft noch der Regierung Correa in Sicht.
So sieht sich die international als links-fortschrittlich geltende Regierung Correa mit der Tatsache konfrontiert, den ersten links-aktivistischen politischen Gefangen in seinen Gefängnismauern zu haben, der in der Geschichte Ecuadors wegen »Terrorismus« verurteilt wurde.
Den Grad der Humanität einer Gesellschaft lässt sich u.a. an der Behandlung von Gefangenen messen.
Freiheit für Marcelo Rivera!
Quellen:
Freiheit für Marcelo Rivera: http://libertadmarcelo.wordpress.com
Ecuador Comunista: http://www.ecuadorcomunista.com/
Movimiento Popular Democrático | MPD: http://www.mpd15.org.ec