Stateless | Punta del Sur | Isla Cozumel | 01.02.2018
3. Februar 2018 | Isla Cozumel | Tulum Die Isla Cozumel war die am weitesten nach Osten ausgedehnte Ort der Maya-Kultur. Cozumel selbst wurde ca. im Jahre 800 durch die Maya besiedelt. Zuvor gab es auch karibische Menschen, die die Insel frequentierten, jedoch nur unregelmäßig und v.a. als Jagdgebiet, da die reichhaltige Dschungelvegetation eine für die Ernährung bedeutende Reserve darstellte.
Die Maya-Kultur kannte zu dieser Zeit bereits hydro-kulturelle Anbaumethoden, was sie befähigte auf der Insel Mais und weitere Pflanzen zu kultivieren. Die Besiedelung war für sie v.a. von spiritueller Bedeutung, was heute noch die Ruinen von Tantun Cozumel (San Gervasio), im Zentrum der Insel, bezeugen. San Gervasio ist der Name des späteren mexikanischen Landbesitzers.
Dem Leben zu Licht verhelfen
In der Religion der Maya steht die Göttin Ix Chel für den Schutz des Regenbogens, des Wassers und der Fruchtbarkeit (Schwangere) sowie für Erde und Mond. Da die Sonne im Osten untergeht, der Mond erscheint, ist dieser östliche Ort Ix Chel gewidmet und wurde in den Ritualen der Maya Pilgerort u.a. für Schwangere, die für einen guten Verlauf ihrer Schwangerschaft Opfergaben mitbrachten und sich den örtlichen Herrschenden und geistlichen der Maya präsentierten. Anhand der erhaltenen Verzierungen der Gebäude ist erkennbar, dass die Opfergaben keine Menschenopfer bei den religiösen Ritualen beinhalteten. Auf verschiedenen Mayastätten in Guatemala (eine der Hauptzentren größerer Mayagesellschaften) finden sich Abdrücke von Händen; schwarze nach unten gerichtete sowie rote nach oben zeigende Handflächen. Während die schwarzen auf den Tod verweisen, stehen die roten für Blut, das pulsierende Leben selbst. Tatun Cozumel ist ein Ort der Geburt, des neuen Zyklus des Lebens.
Die Zyklen der Maya-Zeitrechnung bestanden aus dem Sonnenzyklus (365 Tage) und dem Mondzyklus (260 Tage); nach 52 Jahren kommen beide Zyklen überein und dies bedeutete für Maya eine Erneuerung. Für ihre Städte und religiösen Zentren hieß das auch baulich eine komplette Erneuerung, Renovierung oder gänzliche Neuerrichtung der Tempel(pyramiden) und Häuser.
Interssante Aspekte der baulichen Prinzipien können heute noch nachvollzogen werden. Abgesehen von relief-artigen Abbildungen diverser Gottheiten, spiritueller Rituale, historischer Ereignisse und des z.T. des (landwirtschaftlichen) Arbeitslebens v.a. auf gemeinschaftlichen Bauten und denen der herrschenden Kasten (König/Königin, Adelige und Priester/innen), sind die z.T. steil ansteigenden Treppen zu den Tempeln und Regierungsbauten aussagekräftig.
Eine gute Frage
Der professionelle Guia Raúl der Maya-Stätte Tatun Cozumel stellt sich für uns irgendwie als passender Lehrer heraus. Seine lebendige Methode, zunächst eine Frage zu stellen, um dann beiläufig anzumerken, es sei eine gute Frage, um dann wiederum zu fragen, wie können wir dises und jenes heute wissen, führt ihn dann zur kulturell-philosophischen Ableitung, untermauert mit archäologischen Hinweisen und selbst besitzenden kulturellem Wissen als Nachkomme der von ihm nachvollziehbar gemachten Maya-Kultur.
Erinnert mich die Methode fragend voran zu schreiten einerseits an klassische, philosophisch-marxistische Lehrstunden, um sich einem Gegenstand zunächst mit einer offenen Frage in dialektisch wahrgenommen Verhältnissen zu nähern, so assoziiere ich sie anderseits mit der zapatistischen Haltung fragend voran zu schreiten (andamos preguntando).
Hinzu kommt der Vorteil, dass Raúl sich nur mit uns im Dialog befindet, denn nicht viele Besucher*innen haben am heutigen Donnerstagnachmittag den Weg zu diesem musealen Ort gefunden. Es ist ein wirklich dynamisches Hin- und Her von Thesen, die aus den Funden, die auf dem Gelände gemacht wurden, aufgestellt werden könn(t)en, aber gleichzeitig Möglichkeiten offen halten, auch konträre Annahmen zu formulieren. Fragend eben.
Desweiteren ist die Methode amüsant und zudem einnehmend höflich, da Raúl auf auf unsere Fragen regelmäßig einwirft, »das ist eine gute Frage bzw. eine gute Antwort«; es ermuntert zum gegenseitigen Dialog. Auch auf seine selbst in den Raum gestellten (forschenden) Fragen bemerkt er freudig, dass dies eine gute Frage sei. Hingegen stellt er sympathischerweise nicht fest, dass seine Antwort eine gute sei…
Maya-Ruinen | Tulum| 02.02.2018
Dualismus
Beim Darstellen der vermutlichen Gesellschaftsstruktur der historischen Maya kommen wir an einen Kernunterschied zwischen der christlichen Dominanzkultur der Conquistadoren und den spirituellen Konzepten der Maya: den Umgang mit (vermeintlichen) Widersprüchen.
Wir kennen die Darstellung von Himmel und Hölle als Gegensätze, die einander ausschließen, sich in Gegnerschaft befinden, sich als feindlich gegenüberstehen. Noch einfacher; das »Gute« und das »Böse« existiere in Reinform und ohne das jeweils andere. Darin findet sich der Wunsch bzw. die Obsession sich dem einen (zumeist das »Gute«) zuordnen zu wollen, ohne das andere zu benennen, zu sehen, zu begreifen, v.a. zu sein. Psychologisch der Versuch Komponenten existierender Widersprüche im gleichen System, Organismus oder Struktur abspalten zu wollen, i.d.R. mit dem Ziel der Vernichtung, der Auslöschung.
In der Wahrnehmung der Maya existiert die Welt des Diesseits (auf der Oberfläche der Erde), die Welt des Himmels (Ort von Gottheit/Naturelementen wie Licht, Wind z.B.) und die Unterwelt (ebenfalls Gottheiten und Naturelemente wie Brunnen/Trinkwasser, Wurzeln z.B.) gleichzeitig, gleichwertig und ohne Wertung, sie sind einfach. Die drei Welten stehen in bestimmten Verhältnissen zueinander, aber sind eins in der mayaschen Vorstellung vom Universum. Dies ähnelt mehr Vorstellungen beispielsweise daoistischer Ideen in asiatischen Philosophien, die ja mit dem Symbol des YinYang auch versuchten, mit einer grafischen, nicht schriftlichen Darstellung des einen Universums – als immerwährender Kreislauf aus Werden und Vergehen – eine Entsprechung zu geben. Widersprüche als grundlegendes Prinzip von Bewegung und (Fort-)Entwicklung. Und obwohl in starken Widersprüchen (hoher Kontrast) die Dynamik für das Leben liegt, so doch nicht in einer Reinform, sondern stets das Element des (vermeintlichen) Gegenübers in sich tragend.
In westlichen Denk- und Forschungskonzepten kommt der als kritisch-dialektisches Denken bezeichnete Ansatz des Prinzips der These, Antithese, Synthese am nächsten, mit dem Fokus auf die dynamisch miteinander verflochtenden gegenbezüglichen Wechselwirkungen.