Rebell: Heinrich Vogeler

Heinrich_Vogeler

Zusammen mit […] der Roten Marie […] und anderen Freunden gründete Heinrich Vogeler im Sommer 1919 die Kommune und Arbeitsschule Barkenhoff, um zu beweisen, dass eine neue Gesellschaft möglich ist.*

Kreuzberg | 6.3.2019. Wie kommt ein überaus erfolgreicher Künstler um die Jahrhundert­wende des letzten Jahrhunderts innerhalb weniger Jahre dazu, sein gesamtes Lebenswerk hinter sich zu lassen, um sich der grundsätzlichen soziali­stischen Veränderung der Welt zu widmen? Heinrich Vogeler – einst erfolgreicher Maler, Zeichner, Grafiker und Architekt des Jugendstils mit Hang zur Romantik, verkaufte sein Haus [Barkenhoff in Worpswede] 1925 für einen symbolischen Preis an die Internationale Rote Hilfe, um dort ein Heim für Kinder politisch verfolgter Kommunist*innen aufzubauen. → weiterlesen

Rebell: Bartolomeo Vanzetti

Bartolomeo_Vanzetti

Aber ich bin überzeugt, dass ich im Recht bin, und wenn Sie mich zweimal hinrichten könnten, und wenn ich zwei weitere Male geboren werden könnte, dann würde ich wieder das tun, was ich getan habe.**

Kreuzberg | 6.3.2019. Der Setzer Andrea Salsedo sprang am 3. Mai 1920 aus dem 14. Stock des Polizeireviers von New York, nachdem er zuvor stundenlang verhört und gefoltert worden war. Salsedo war italienischer Einwanderer und Anarchist und bei umfangreichen Razzien seitens der US-Regierung in einer Druckerei in Brooklyn festgenommen worden. Dieser Fall war Ausdruck des politischen Klimas [Red Scare] zu jener Zeit, als auch der Fischverkäufer und Anarchist Bartolomeo Vanzetti am 5. Mai 1920 verhaftet wurde. → weiterlesen

Holz, Linoleum und Revolution


Prost! Tanzende Gerippe | Die Totenköpfe und Gerippe vom Grafiker José Guadelupe Posada gelten als Originale dieser Ausdrucksform in Mexico

27.3.2018 | Mexico Stadt. Bereits im Bundesstaat Chiapas fiel uns ins Auge, dass Holz- und Linoleumschnitte eine weit verbreitete und oft genutzte Technik in Mexico zu sein scheinen. In Oaxaca dann springen uns zahlreiche großformatige, politische Wandzeitungen, Stencils und Plakate ins Auge, die meisten sind Linoleum- bzw. Holzschnitte hoher Qualität (siehe Abbildungen im Eintrag »Oaxaca gibt nicht auf«). Was besonders anziehend wirkt, ist die Tatsache, dass diese Drucktechnik hier nicht nur als dekorative Kunst(fertigkeit) auftritt, sondern auch aktuell im Kontext emanzipatorischer sozialer und politischer Protestbewegungen zur Anwendung kommt. Der harte Schwarz-Weiss-Kontrast unterstützt in seinem Ausdruck oftmals die starke Polarisierung in konfliktiven gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Dies wäre – neben dem jeweiligen Stil der Holzhandwerkenden – die ästhetische Seite.
Mit Beginn meiner eigenen Politisierung und der damit verbundenen gestalterischen Arbeit in Form von Schülerzeitungen, Plakaten, Illustrationen, Grafiken, Flugblättern, Spuckies, Aufklebern oder Massenzeitungen stellten wir uns einerseits die Frage, welche technischen Voraussetzungen nötig sind, um agitative und sozial-brauchbare Motive in genügender Auflage bezahlbar zu produzieren und andererseits beschäftigte uns die Frage, welche Techniken faktisch von jedermann und jederfrau zügig erlernbar sind, einfach nach zu ahmen, ausdrucksstark und ebenfalls bezahlbar. → weiterlesen

Oaxaca gibt nicht auf

Bild: Holzschnittplakat | Historisches Zentrum Oaxaca | 20.3.2018

21.3.2018 | Oaxaca. Oaxaca zeigt sich bei unserer Ankunft gleich von seiner protestiven Seite. Wir stehen fast eine Stunde im Stau, weil es einen Parro, eine Straßensperre, einer der größeren Einfallsstraßen gibt. Wie wir später erfahren, haben Lehrer*innen ihren Forderungen Ausdruck verliehen, auch wenn wir nicht herausfinden konnten, worin diese genau bestehen. Auf dem Zocálo, dem zentralen Platz des historischen Zentrums, begegnen uns so genannte Plantones, vergleichbar mit den Protestformen der Occupy-Bewegung der letzten Jahre. Zelte, Transparente und Plastikplanen auf öffentlichen Plätzen gegen Vertreibung und Enteignung des zuvor selbst bestellten Feldes. Die verblichenen Transparente geben nicht nur Auskunft über die gesetzlich verordnete Vertreibung der Protestierenden, die blasse Schrift gibt auch Zeugnis über die Ignoranz etablierter Politik ab. In den umliegenden Straßen des historischen Zentrums, welches zum Weltkulturerbe zählt, sprechen Plakate eine deutliche Sprache. Gewalt an Frauen, das Verschwinden der 43 Student*innen, das Warnen vor dem aktuellen Gesetz der inneren Sicherheit sowie Polizeibrutalität wird auf den Holzschnittmotiven der Plakate thematisiert. Tourist*innen ziehen vorbei, die Selfie-Stange im Anschlag, bereit für das nächste selbstbezogene Selbstbestätigungsfoto…

Besetzt die Wellen

Als über 2000 Frauen unterschiedlicher sozialer Organisationen im Zentrum Oaxacas am 1. August 2006 zur Fernsehstation des Canal 9 drängten und um eine Stunde Redezeit von den Machern des Senders CORTV baten, war dies kein Zufall. Genau jener staatliche Sendekanal hatte eine mit üblem Vokabular geführte Berichterstattung über die Proteste der sozialen Bewegungen, die sich zur APPO zusammengeschlossen hatten, vom Zaun gebrochen. Die Frauen besetzten schließlich den Sender.→ weiterlesen

Universität der Erde


Wandgemälde „Caracol Zapatista “ auf dem Gelände der Universidad de la Tierra (Universität der Erde) | San Cristóbal, Chiapas | 5.3.2018

9.3.2018 | San Cristóbal de las Casas Als am 1.1.1994 die EZLN (Ejercito Zapatista de Liberación Nacional) aus dem lakandonischen Urwald der Berge Chiapas in die Stadt San Cristóbal kam, war ihr Ruf zunächst ein „Ya basta!“, es reicht. Letzter Anlaß des Aufstandes war das inkrafttretende Handelsabkommen NAFTA, zwischen den U.S.A., Canada und Mexico, welches Mexico in weniger als 20 Jahren von einem ernährungssouveränen Staat zu einem abhängigen Lebens- und Grundnahrungsmittel impotierenden gemacht hat.
Auf Pferden, bewaffnet mit Gewehren, Knüppeln und Holzgewehren nahmen die Zapatisten den Regierungspalast ein und trugen ihre Forderungen mit Pasamontañas maskiert vor; Land, Brot, Arbeit, Gerechtigkeit, Demokratie und Würde.
Politischs Ziel war es, im ärmsten Teil des Landes auf die unwürdige Situation der verschiedenen indigenen Völker/Nationen bzw. Gemeinden weltweit aufmerksam zu machen.
Die Kunstfigur Subcomandante Marcos drückte es so aus:
„Und seht doch wie die Dinge sind; damit sie uns sehen/beachten, vermummen wir unser Anlitz, damit sie uns beim Namen nennen, negieren wir einen zu besitzen, wir setzen unsere Gegenwart auf Spiel, damit wir eine Zukunft haben können; und um zu leben… sterben wir“.

Die indigene, zapatistische Bewegung existiert in der (Welt)Öffentlichkeit seit nunmehr fast 25 Jahren, hat trotz des Unwillens der „schlechten Regierung“ zu einem aufrichtigen Dialog, trotz grassierenden staatlich subventionierten Paramilitarismus‘, längst begonnen der kapitlistisch durchstrukturierten Welt den Rücken zuzukehren und eigene Ansätze aufzubauen.
Auf Empfehlung von Freund*innen besuchten wir einen dieser Ansätze, die zapatistische „Universidad de la Tierra“ der CIDECI, die im Norden am Rande der Stadt liegt.→ weiterlesen

Türme wachsen nicht ewig, sie stürzen ein ¦ Maya Kultur Teil 3

Maya-Stätte in Palenque | Chiapas | 27.2.2018

1.3.2018 | Palenque. Imperien kommen, steigen auf und fallen in sich zusammen. So auch die verschiedenen Maya-Stadtstaaten in Mesoamerika, welches territorial gesehen Teile der heutigen Staaten Mexico, Guatemala, Belize, Honduras und El Salvador umfasst. Der Beginn der Maya-Kulturen wird auf ca. 2000 v. Chr. datiert, das Ende etwa auf das 16./17. Jahrhundert. Die Blütezeit der verschiedenen Stadt-Staaten liegt in unterschiedlichen Epochen, jedoch zwischen 600-900 n. Chr. gilt größtenteils im heutigen mexikanischen Gebiet als architektonisch und die Kriege betreffend als fortgeschrittene und intensive Phase der Maya. Ursachen für das Zusammenbrechen und Schrumpfen ehemals großer Städte inklusive ihrer vormals festgefügten hierarchischen politischen, religiösen und sozialen Strukturen werden heute durchaus kontrovers diskutiert. Möglicherweise erbringen die neuesten Laserverfahren, die es ermöglichen im Urwald vergrabene Städte ausfindig zu machen und gar 3-dimensional darzustellen, ergänzende bzw. korrigierende Erkenntnisse bezüglich der verschiedenen Ansätze.→ weiterlesen

Maya-Aufstand ¦ Guerra de Castas


Cenote „Xpanche“ in der Nähe der Maya-Stätte Ek Balam | 13.2.2018


20.1.2018 Valladolid/Rio Lagartos. Valladolid gilt so einigen Einwohner*innen als Chispa, als Funke, als Ort der Widerständigkeit, nicht nur wegen der Widerstandskraft der Maya gegen den Conquistadoren des Montejo-Clans.
Auch im sogenannten »Guerra de Castas« (Kastenkrieg) war Valladolid u.a Ausgangspunkt der Intialzündung sich gegen die Spanischen Besatzer, Großgrundbesitzer und die katholische Kirche zu erheben. Das betonte unser Guia der Free Walking Tours Roberto, als er darauf hinwies, dass die offizielle Geschichtsschreibung davon ausgeht, dass der Kastenkrieg aus anderen Gründen (Hinrichtung eines Maya-Kämpfers) und an einem anderen Ort (Tihosuco) ausgelöst worden sei.
Roberto wusste folgende Geschichte zu berichten: Die Kirchenvertreter Valladolids wiesen die Maya-Familien Mitte des 19. Jahrhunderts an, ihre 15-jährigen Töchter zu ihrem eigenen Schutz und ihrer Gedeihung in das örtliche Kloster zu übergeben. Dies war keine Empfehlung, sondern eine Anordnung, wie es bereits über 300 Jahre Anordnungen mit gottesfürchtiger Ableitung gegeben hatte.→ weiterlesen

Valladolid ¦ Funke für Unbotmäßigkeit

Kunsthandwerk | Casa de los Venados | Valladolid |12.2.2018

12.2.2018 | Valladolid Die Stadt Valladolid mit ihren ca. 50.000 Einwohner*innen liegt im Inland in der unmittelbaren Nähe der Maya-Stätten Ek Balam und Chichén Itzá. Dies ist auch der ursprüngliche Grund unseres Aufenthaltes. Auch hier ist die Bezugnahme auf die historische Maya-Kultur präsent. Valladolid ist durchaus touristisch, jedoch (noch) nicht so überlaufen wie die Küste der Provinzen Yucatáns und Quintana Roo.
Valldolid hat nicht nur sechs große christliche Kirchen bzw. ein Franziskaner Ex-Kloster, die nahe legen, wie dominant und unbarmherzig der Katholizismus diesen Ort und seine Menschen durchsetzte. Neben Campeche und Merida war sie die bedeutendste Stadt für die spanischen Conquistadoren bzw. ihre herrschenden Oberschichten.
Valladolid ist in der Lesart seiner heutigen Bewohner*innen mit historischen Wurzeln der Maya rückblickend gesehen ein Hort des Rebellentums und des Widerstands. → weiterlesen